Die Happy im Interview

Die Happy gehören definitv zu meinen Bands der ersten Stunde. Und deshalb habe ich mich besonders gefreut, das erste Interview für „Watte pusten“ mit Thorsten Mewes und Ralph Rieker vor ihrem Konzert im Ulmer Roxy führen zu dürfen. Die Jungs haben mit mir über 17 Jahre Die Happy, Popstars und natürlich ihr neues Album „Red Box“ gesprochen. Aber lest selbst: (Alle Fotos findet ihr übrigens hier.)

Heute spielt ihr in eurer alten Heimat Ulm. Ein besonderes Konzert für euch?
Ralph:
Besonders ist es definitiv. Ich habe mir vorhin die Gästeliste mal kurz angeguckt und die ist riesig lang. (lacht) Wer da alles drauf steht. Es ist immer speziell, wenn Freunde da sind, finde ich.
Thorsten:
Also ich freue mich auch immer total. Ich habe hier im Roxy früher gearbeitet und Martha hat hier auch Catering gemacht. Man kennt die ganzen Leute. Das ist halt schon ein bisschen Family. Als wir noch in Ulm stationiert waren, waren wir halt auch ständig im Roxy. Das ist halt schon ein bisschen der Heimatladen. Natürlich hat man immer viel Besuch von der Family und man kann sich nicht so richtig aufs Konzert vorbereiten. Weil man will sich gerade umziehen und schon kommt der nächste und Bumm ist man auf der Bühne. Das ist dann der Unterschied wenn man Zuhause spielt, als woanders. Man kommt weniger zu Ruhe, aber man freut sich schon, die Leute wiederzusehen.

Vor Kurzem wurde euer siebtes Studioalbum „Red Box“ veröffentlicht. Auf den letzten Platten habt ihr euch eher ein wenig in Richtung Pop orientiert, jetzt klingt ihr ich würde sagen so hart wie noch nie mit Double Base und allem was dazu gehört. Wolltet ihr einfach mal wieder richtig Krach machen oder wie kam es dazu?
Ralph:
Jürgen hat einfach zehn Jahre gebraucht um Double Base zu üben. (beide lachen)
Thorsten:
Marta hat es mal so treffend beschrieben, wenn man unsereEntwicklung sieht wie in einer Spirale, dann sind wir jetzt am selben Punkt angelangt, nur eine Stufe höher. Wir haben lange versucht, immer den Spagat zu schaffen zwischen Rockband und im Radio stattfinden. Bei unserem letzten Album hatten wir eine perfekte Radio-Single, die aber kein einziges Radio gespielt hat. Dann ist uns schlagartig bewusst geworden, dass egal was wir machen, wir nicht im Radio stattfinden werden. Und darum haben wir gesagt, wir machen jetzt einfach ein hartes Album beziehungsweise ein kompromissloses Album, weil es ist ja auch ein ganz ruhiger Song dabei. Aber wir wollten halt keine  weichgespülten Balladen machen, wenn dann wirklich weich, aber nicht so eine Mischung.

Ist es vielleicht auch eine Sache, wo man ein paar Jahre für braucht, wo man sagt ich stehe jetzt dazu. Dass man jetzt sagt, jetzt sind wir soweit, jetzt machen wir was wir wollen.
Ralph:
Also es war ja nicht so, dass man bewusst Radiosingles aufgenommen hat. Und auch nicht, dass man etwas fürs Radio macht. Das hat uns alles gefallen. Ich glaube dieses Mal ist es einfach klar, dass wir nach sieben Platten mal wieder so ein Statement setzen wollten. Das Statement waren die ersten beiden Alben. Und das hört man auch von den Fans immer wieder, dass das die wichtigsten Alben waren für die Leute. Und dahin wollten wir einfach zurück.
Thorsten:
Es hat glaube ich ein bisschen was mit dem Wechsel zu unserer neuen Plattenfirma zu tun. Wir sind jetzt bei Fame Recordings. Als dann unser Vertrag auslief vor über zwei Jahren wussten wir, dass wir es nicht mehr versuchen wollten im Major-Plattengeschäft, sondern wir unsere Erfahrungen nutzen und das Album selber machen. Mit Fame haben wir uns einen sehr familiären Partner an die Seite geholt. Wir sind ins Studio gegangen, ohne dass die Plattenfirma einen Song gehört hat. Da war überhaupt kein Druck, so wie bei dem ersten Album. Das war so schön, befreiend, dass man kreativ sein konnte.

Generell liegt der Fokus bei vielen Bands stark auf dem Frontmann oder der Frontfrau. Ist es für euch drei Jungs manchmal schwierig, dass Martha so im Mittelpunkt steht und mehr Aufmerksamkeit bekommt als ihr?
Ralph:
Das Einzige was für uns schwierig war in den letzten Wochen ist, dass wir gerne bei Stefan Raab mitgefahren wären und Marta das konnte. Und das ist natürlich weil Marta im Vordergrund steht, uns hat halt keiner gefragt. Also für meinen Teil komme ich mit meiner Rolle super klar, ich kann mir auch gar keine andere vorstellen.
Thorsten:
Ich glaube, wir als Band wissen, dass wir uns Vier brauchen, um das zu sein, was wir sind. Und der Sänger oder die Sängerin ist halt immer das Sprachroh der Band. Und das ist bei uns schon immer, schon seit 17 Jahren, so. Und da hat auch keiner ein Problem, oder sieht das anders. Die Rollen sind halt klar verteilt.
Ralph:
Und die Rollen sind unter uns Vieren auch gleichberechtigt verteilt. Obwohl Marta halt medial extrem im Vordergrund steht. Sie hat dann halt im Proberaum nicht so viel zu sagen… (beide lachen)

Die Happy in UlmDu hast es gerade schon angesprochen, euch gibt es inzwischen 17 Jahre. nach Trotzdem seid ihr immer noch einer der meisttourenden Bands Deutschlands. Wird es nicht nach so vielen hundert Konzerten irgendwann langweilig auf der Bühne oder gibt es nicht Tage, wo man keine Lust hat?
Ralph:
Manchmal ist es wirklich tagsüber, dass man denkt „Ah jetzt würde ich auch gerne Zuhause bei meiner Freundin abhängen“ und so. Aber spätestens eine Stunde bevor das Konzert anfängt, hört dieses Gefühl auf und dann kommt dieses andere Gefühl, dass man unbedingt da hoch muss.
Thorsten:
Ja ich glaube wir sind inzwischen alle ein bisschen häuslicher geworden. Früher haben wir 300 Tage im Jahr zusammengehangen. Und nach dem touren sind wir zusammen in  den Proberaum und wieder auf Tour und ins Studio. Und das hat sich alles ein wenig auseinandergezogen. Marta wohnt in Prag, Jürgen und Ralph in Berlin und ich in Hamburg. Und wir sehen uns schon nicht so oft, wenn wir nicht zusammen Musik machen. Deshalb ist es auch schön, wenn wir zusammen im Proberaum sind oder zusammen auf Tour sind. Das ist auch einfach fürs Bandgefühl sehr gut. Aber ich glaube keiner von uns kann jetzt aufhören Musik zu machen. Jeder braucht diese Tour.

In den vergangenen 17 Jahren hat sich gerade im Musikbusiness sehr vieles verändert. Was würdet ihr anders machen, wenn ihr im Jahr 2010 Die Happy gründen würdet?
Thorsten:
Also früher, als wir noch keinen Plattendeal hatten, haben wir gespielt, gespielt, gespielt. Man konnte noch in Jugendhäuser gehen, da gab es noch Gelder, da gab es Fördermittel. Das kann man heutzutage gar nicht mehr. Und der Start, de man heutzutage als junge Band hat oder hätte, der ist um einiges härter als früher. Man muss schon sehr professionell auftreten und sich um sehr viele Dinge kümmern. Also musikalisch würden wir nichts anders machen. Wir hatten das Glück, in einer Zeit durchzustarten, als es noch Videos gab im Fernsehen und das ist ja heute gar nicht mehr gegeben. Deswegen ist es auch viel viel härter auf sich aufmerksam zu machen. Es gibt natürlich Bands wie MGMT, die es nur durch Youtube zu Weltruhm schaffen, aber das sind echt Ausnahmen. So wie wir das gemacht haben, durch arbeiten zum Erfolg, das ist schwer.
Ralph:
Heutzutage ist es ja auch umso wichtiger, dass man viel Eigeninitiative mitbringt und viel selber macht. Und das war in unserem Fall eigentlich auch schon immer so. Wir haben wenige Sachen der Plattenfirma überlassen. Haben unser Merchandise selber gemacht, wir haben die Homepages immer selber gemacht, das Artwork oft selber gemacht. Wir haben schon immer sehr viel Eigeninitiative gehabt und viel selber geleistet. Das ist heute für Bands auch superwichtig. Und deshalb ist der Unterschied zu vor zehn Jahren gar nicht so groß.

Die Happy in UlmUnd gibt es Entscheidungen oder Momente auf die ihr im Nachhinein besonders stolz zurückblickt?
Thorsten:
Also ein wichtiger Punkt war auf jeden Fall der 10.12.1999, da haben wir einen Plattenvertrag unterschrieben.
Ralph
: Ich bin vorhin die Schillerstraße hier entlang gelaufen, da habe ich früher auch mal gewohnt. Und direkt am Eck geht eine Fahrt rein zum Supermarkt. Und da standen wir mal alle und waren auf Promoreise nach München oder so und wollten alle ins Auto einsteigen. Jürgen war noch irgendwie beim Bäcker und kam zurück. Wir haben einen Anruf gekriegt von der Plattenfirma, die ersten Trendcharts von unserem zweiten Album. Und da war der erste Trend halt Platz eins. Wir hatten einen Tag lang in Deutschland die meisten Platten verkauft. Und da haben wir dann rumgetanzt und haben uns gefreut. Das war ein sehr bewegender Moment.

Generell seid ihr als sehr fanfreundliche Band bekannt. Unter anderem engagiert ihr euch im Internet, postet über Twitter und Facebook und schreibt regelmäßig auf eurer Homepage ein Update. Muss man das machen im Jahr 2010 oder wollt ihr das unbedingt?
Thorsten:
Sowohl als auch.
Ralph:
Ja, glaube ich auch. Ich weiß nicht, ob man es machen muss. Aber wir begreifen unsere Fans als diejenigen, die uns alles ermöglichen. Musikalisch und auf Tour, was wir ausleben dürfen in unserer Karriere. Und zu den Leuten unfreundlich zu sein, macht irgendwie keinen Sinn. Wir gehen auch gerne nach den Konzerten zu Merchandise-Stand und quatschen mit den Leuten. Gerade nach so einer Tour war es interessant, wie kommen die Gigs an, wie sind die neuen Songs, wie sind die live, wie gefällt euch das Album. Das ist schon immer spannend.

Das ist also schon für euch wichtig, dass ihr so ein direktes Feedback bekommt? Über das Internet kriegt ihr es ja wahrscheinlich noch mehr.
Thorsten:
Im Internet gibt es natürlich auch einige  frustrierte Leute, die sich den ganzen Tag nichts vornehmen, als irgendeinen Scheiß in Foren oder Gästebüchern zu hinterlassen. Man kann halt schwer einordnen: Ist es jetzt jemand, den man ernst nehmen muss, oder ist es nur ein Spinner. Wenn man jetzt mit jemandem spricht, der sagt: „Hey, heute war es aber echt scheiße!“ Wenn ich den schon drei Mal gesehen hab, dann weiß ich, ok, der findet es immer scheiße oder da war heute wirklich scheiße. Das ist wichtig.
Natürlich was diese ganzen Web 2.0-Sachen betrifft, wir haben uns jetzt sogar eine iPhone-App machen lassen. Um da noch mal verbundener zu unseren Fans sein zu können. Ich kann mich noch erinnern, unsere erste Homepage damals, die hatte noch so eine T-online-slash-Adresse, da gab es noch gar keine Domains und so, da hatten wir schon eine Internetseite. Heutzutage gehören einfach Myspace, Facebook und Twitter dazu.

Durch Martas Einsatz bei Popstars und einer Konzertabsage wegen des Stockcar-Rennens habt ihr massive Kritik von Seiten der Fans bekommen. Selbst in eurem Wikipedia-Eintrag steht etwas dazu. Wie geht ihr damit um?
Thorsten:
Wir wussten von vorneherein, als Marta gefragt wurde und uns gefragt hat, wie wir das sehen mit Popstars, dass das die Fans spalten wird. Weil wir ja auch früher immer schön dazu aufgerufen haben, Castingshows zu boykottieren. Mittlerweile ist es einfach so, dass Castingshows zu unseren täglichen TV-Leben gehören. Es ist alles wie eine Art Castingshow geworden. Und Marta hat letztes Jahr in Tschechien in der Jury von „Tschechien und Slowakei sucht den Superstar“ dem ersten internationalen Star-Search, weil es zwei Nationen zusammen gemacht haben. Und es hat ihr tierisch viel Spaß gemacht und dann wurde sie hier gefragt und dann hatte sie sofort Lust, das zu machen. Weil bei Popstars geht es auch nicht nur drum, irgendwie Leute runter zu machen, sondern mit den Leuten zu arbeiten, ihnen zu helfen, sie zu fördern und zu gucken, welche Fortschritte sie machen. Nicht jede Castingshow führt automatisch zum Erfolg. Das ist genau wie wenn eine Plattenfirma zehn Bands unter Vertrag nimmt, wird nicht jede davon Erfolg haben, obwohl die Rockmusik machen. Da schafft es vielleicht eine davon.
Ralph:
Marta macht viel Fernsehen, sie hat in Tschechien, Slowakei angefangen, dann macht sie ZDFneo dazu, was ein sehr sehr geiles Format ist und Martas Liebe fürs Fernsehen, für Moderation, die hat sich einfach auch immer gesteigert. Dass wir einfach auch gesagt haben, wenn Marta das gerne macht, wenn sie da Lust drauf hat, wären wir die Letzten, die ihr das verbieten. Es war irgendwie schon klar, da wird es Kritik hageln.

Aber das habt ihr schon abgesprochen? Das war eine Band-Entscheidung?
Ralph:
Absolut. Wir haben natürlich darüber gesprochen und durch ihre Begeisterung, die sie da hatte und durch den Spaß und die Chance, die sie da hat, mit den Leuten zu arbeiten. Dass sie sich da einbringen kann mit ihren 17 Jahren Banderfahrung. War es so, dass wir gesagt haben, wir können auch nichts machen, wenn sich die Leute darüber aufregen. Marta muss ihr Ding machen, wenn sie Spaß dabei hat und wenn sie da noch eine Karriere in Angriff nehmen, dann soll sie das tun.

Ich stelle mir das schwierig vor,  so viel negatives Feedback zu bekommen…
Ralph
: Das Wichtige ist, dass du es innerhalb der Band recht machst. Und wir fanden das alle völlig ok und haben gesagt, Marta mach das. Und nach außen hin, kannst du es nicht allen recht machen. Wenn du es nicht machst, sagt keiner zu dir „Boah toll, dass du das nicht gemacht hast!“, weil es kriegt ja keiner mit. Das Feedback der Fans ist uns wichtig, aber manchmal muss man auch sagen, ja gut, komm, du steckst nicht in uns drin, wir müssen unsere Entscheidungen selber treffen und mit dem Rest gehen wir um.
Thorsten:
Und diese Potsdam-Geschichte… Wir haben noch nie wegen Fernsehen eine Show abgesagt oder absagen müssen. Wir mussten die absagen, weil Marta eine Verpflichtung hat, die muss daran teilnehmen. Und außerdem hatten wir die Chance, bei TV total aufzutreten. Und das ist keine Frage, ob man eine Show spielt vor 90 Leuten oder vor 1 Million Zuschauern sozusagen einen Song performen und einfach mehr Leute erreichen kann. Wir spielen nicht irgendwie 3 Shows im Jahr, sondern 60, die Leute können uns sehen. Und wenn man da mal eine Show absagt, dann kann ich es null verstehen, dass da dann so eine Welle passiert.
Ralph:
Es kommt einem irgendwie so vor, als ob die keine Chance hätten, uns zu sehen. Und es ist eigentlich klar, wir haben ein neues Album draußen, wir machen dafür Promo, müssen wir auch, wir leben davon. Da kann man nicht einfach sagen, Fernsehen, Stefan Raab, TV total, nee wir machen das nicht.
Thorsten:
Ich bin jetzt aktuell bei Shure Mikrofone in der Jury. Die machen so einen Band-Contest. Und sowas kriegt natürlich keiner mit. Es gibt ja auch Castingshows für Rockbands, die sind natürlich nicht so populär wie wenn so Popsachen gesucht werden. Aber selbst wir haben schon an Castingshows mitgemacht, als wir bei „Baden-Württemberg rockt“ 1998 mitgemacht haben und gewonnen haben. Von daher verstehe ich es mittlerweile nicht mehr, dass man da so einen riesen Aufriss macht. Früher haben wir immer gedacht, scheiße die nehmen uns Charts-Plätze weg. Mittlerweile denken wir, die habens genau so schwer wie wir. Und derjenige, der seinen Job gut macht, der hat halt Erfolg und der Andere halt nicht.
Ralph:
Und die kommen und gehen. Früher war halt irgendein Idiot, der so eine Castingshow gewonnen hat, in den Charts vor dir, wenn du dein neues Album veröffentlich hast. Da regt man sich drüber auf. Heute regt man sich nicht mehr darüber auf. Deshalb ändert man da halt auch seine Meinung.


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Eine Antwort zu „Die Happy im Interview“

  1. […] die ich am häufigsten live gesehen und fotografiert habe und auch am häufigsten interviewt habe. Drei Jahre nach meinem letzten Gespräch in Ulm, habe ich mit Thorsten Mewes über Crowd Founding, die Pledge-Kampagne von Die Happy, Babys auf […]

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