Flo Mega im Interview (Part II)

Foto: Robert Winter

Deutschlands Soulman Flo Mega im Interview mit Watte pusten. Im zweiten Teil geht es um Soul auf deutsch, Jan Delay, Musik mit Substanz und Klischees auf der Bühne. Wem das zu viel zu lesen ist, der kann sich das Ganze hier wieder anhören:

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Wie sieht die Zusammenarbeit mit den Ruffcats aus? Schreibst du deine Songs alleine oder mit den Musikern zusammen? Oder entwickelt sich das in einer Session?
Flo Mega: Die sind ja in Berlin und ich bin in Bremen. In der Phase des Schaffens ist bei mir schon immer alles erlaubt gewesen. Ich kriege Instrumentale von denen, mache selber welche oder kriege die von Leuten, die mir auch wirklich welche geben dürfen. Weil Leute mich natürlich überhäufen jetzt auch mit Schrott. Und dann schnappe ich mir einen Rechner und ziehe da rüber. Ich mache Collagen und Skizzen. Ich mache das so wie es grad geht. Letztens saß mein Kumpel da, wo ich grad in der Wohnung sitze und Skizzen mache, weil ich hab keinen Proberaum, und hat was gedaddelt und ich sag: „Ey, spiel mal ein!“. Da war auch ein Song fertig. Und dann die Band hören die Sachen und können die sofort adaptieren. Und ich kann mich sehr stark auf die verlassen.

Die bringen sich also auch mit ein. Du sagst nicht konkret, hier möchte ich die und die Bläserline haben?
Flo Mega: Breaks sind meine Spezialität. Die Übergänge in der Show sind meistens alle von mir. Da stehe ich dann im Proberaum und mache „Dadelibabbbabdadelibä“. Breaks sind mein Ding, so Fill Ins und Übergänge. Meistens haben die Musiker das eh schon drauf. Wenn neue Sachen anstehen, machen wir eine Woche Probe vor der Tour, einmal durch und dann geht es los. Es ist nicht so intensiv, dass ich sie kontrolliere. Sehr tough.

Flo Mega: Ich hab auch angefangen Saxophon zu spielen. Ich habe ein Alt, aber ich spiele Free Jazz, ich kann überhaupt nichts. Ich wollte seit 2000 Saxophon spielen. Aber ich hatte immer sehr viel Respekt vor diesem Instrument. Wegen der Form, wegen allem. Ich habe alles Mögliche, auch meinen Rap, als Saxophon genutzt. Habe denn irgendwann eine Papptröte auf der Straße gefunden und habe da drei Töne raus bekommen, weil ich es wollte. Und ich habe das als mein Saxophon gesehen. Ich habe mich aber erst nach meiner ersten tiefen Sinnkrise mich getraut, mir ein Saxophon anzuschaffen. Und jetzt habe ich eins. Aber ich habe auch schon ewig nicht mehr gespielt. Ich befasse mich meist mit Sachen, leg sie wieder weg und hol sie wieder.

Aber du spielst kein anderes Instrument, oder?
Flo Mega: Doch, ich spiele Conga und Piano. Aber alles so spielzeughaft. Ich bin einfach jemand, der sich daran erfreut und das zeigt. Das hat einen gewissen Charme und das verstehen die Leute. Da fragt keiner nach, ob ichs gelernt habe oder nicht. Ich zeige einfach, dass ich Saß daran habe Sachen herauszufinden oder in dem Moment ein Gefühl auszudrücken, was einfach da ist.

Fühlst du dich am wohlsten, wenn du singst?
Flo Mega: Am Wohlsten fühle ich mich, wenn ich ruhig am Piano sitze.

Echt? Ich hätte gedacht, du bist eher einer, der das braucht, dass er auf der Bühne abgeht.
Flo Mega: Ja, war ich. Aber ich bin 32. Das ist nicht sehr alt, aber ich habe sehr viel gerockt und mitgenommen. Seit 17 Jahren bin ich irgendwie nur am rumschallern. Hip Hop Jams, all die Jahre in Pritschenwägen von Nürnberg nach Bremen und noch wo hin. Überall im Schwabenländle die kleinsten Käffer abgefahren. Unmögliche Reisebedingungen, unmögliche Schlafbedingungen seit 17 Jahren. Ich hab halt irgendwie mir so derbe die Kante gegeben damit, weil ich einfach ein vorsichtiger Mensch bin und das hat mir die Roughness gegeben, die ich im Leben brauchte. Ich hab Feuer in mir, ich bin leidenschaftlich. Klar, wenn ich mich beim Singen verliere auf der Bühne. Das kann man nicht beschreiben. Wenn das ins Unermessliche geht, wenn ich Schreie herausfinde, bei denen ich mich komplett spüre… Das kann man gar nicht beschreiben.

Foto: Robert Winter

Ich stelle mir das auch schwierig vor. Wenn du ein Instrument hast, hast du immer noch dieses Instrument dazwischen, aber wenn du singst, kommt ja alles aus dir heraus…
Flo Mega: Ich kann es nicht beschreiben. Die ständige Intensität der letzten Jahre… Das ist wie als würde ich mich auflösen.

Und trotzdem magst du scheinbar auch die besinnlichen Momente, wenn du am Klavier sitzt.
Flo Mega: Ja, ich bin auch ein sehr ruhiger Mensch. Ich habe nur so viel Feuer im Arsch. Also für einen ruhigen Menschen. Meine B-Seite. Eine Stimme der Unterdrückten auch. Ich war immer unterdrückt. Das soll nicht mitleidig klingen, aber ich habe etwas gefunden, das sich darüber erhebt. Und das kommt aus mir selber. Es ist für mich wichtig, sich über diesen Nonsens zu erheben, mit allem aus dir heraus.

Deine Texte sind sehr wortreich, man hört deinen Rap-Background teils heraus. Wie schwer ist es deutsche Soultexte zu schreiben?
Flo Mega: Man kommt da rein in die Routine. Die neuen Skizzen sind auch ganz anders als das letzte Album. Viel umgangssprachlicher. Cäthe ist mein Vorbild. Ich finde die Frau hammer. Wir haben uns auch kennengerlernt  jetzt und verstehen uns super, das nebenbei. Aber sie macht es genau wie ich es meine. Geh mir nicht auf die Eier oder sowas zu singen. Die Umgangssprache rollt. Die Halssprache, was deutscher ist, die ist wenn man zu analytisch wird, schwierig. Aber wenn man Umgangssprache nutzt, rollts. Durch die Routine kommen mir aus dem Lamäng mittlerweile so Sachen in den Kopf, die ich dann auch nutzen kann. Und wenn ich merke, es wird zu s-lastig, oder zu k-lastig, dann denke ich kurz nach und überlege, wie kannst du das runder machen.

Das steuerst du also bewusst?
Flo Mega: Schon ein bisschen. Es kommt darauf an. Manchmal fange ich an mit einer rollenden Sache und dann merke ich, dass wird zu zackig werde. Und dann sage ich mir, ey, bleib schön bei dem, lass rollen.

Du hast mal gesagt, dass Radiostationen etwas mehr Substanz brauchen. War das einer der Gründe, beim Bundesvision Songcontest mitzumachen? Was hat deine Musik, was der Rest nicht hat?
Flo Mega: Ja, genau. Dieses neue Radio und die 4-Chords-Songs gehen mir einfach aufs Blech. Weil das ist für mich einfach Instant. Da unterwirft sich die Musik dem Marketing komplett. Und für mich ist das auch ein Beweis, dass übertriebene Positivität auch ein Zeichen dafür ist, dass es den Leuten dementsprechend total scheiße geht. Das heißt das Radio läuft immer parallel zum Leben der Menschen und sagt immer: „Oh, das geht weiter.“ Neue Ebene, wieder 4-Chords, wieder schön, wieder einfach, wieder ohne Berührung, wieder einfach nur da. Nächstes Ding, bam es geht weiter. Die Positivität läuft im Radio parallel. Das ist ein Guide, der die Menschen am Leben, am Atmen hält und sie auf Trab hält. Der sagt, alles ist schön, alles ist schön. Ich finde das sehr verantwortungslos. Man sollte denke ich auch mal Thematiken und auch Harmonien mit einbringen, die einen auch mal berühren. Wenn der Mensch irgendwann aufwacht und sieht, wie es um ihn steht, kann das ganz schön scheiße sein. Ich finde es viel geiler, wenn der Mensch sich von vornerein mit dem ganzen Leben befassen kann. Anstatt immer nur auf die Zeit, auf das Geld zu gucken. Im Jetzt soll man leben, aber man soll gucken, dass man das ganze Ding an sich begreift. Wenn man immer nur sagt, denk nicht nach, fahr zu Arbeit, leiste. Ich bin hier, du bist da und das ist gut. 4-Chords willst du doch so, alles gut. Ich finde es einfach verantwortungslos was da passiert. Ich mag es einfach nicht, dieses Verstellen. Mir würde es gefallen, wenn es ein bisschen Tiefe bekommen würde. Dass die Leute sich wieder öffnen und sich mit Leben und Tod beschäftigen. Jeder braucht das auch wenn er derzeit eine heile Welt am Start hat. Wie will man die ganzen Tiefschläge verarbeiten, die einen im Leben erwarten, wenn man auf einmal rausgerissen wird. Dann gibt es diese großen Erschöpfungen wie Burnout. Wenn andauernd alles positiv gepusht wird, bis man kotzt. Und dann auf einmal merkt, es ist nicht so. Dann kommt Burnout.

Deine Musik ist realitätsbezogen?
Flo Mega: Ja, ich meine das andere ist auch eine Realität. Aber meine ist einfach zu indoktrinierend. Es ist nicht nah am Menschen, aber es suggeriert die größte Nähe. Es spielt nah, aber es ist keine Teamarbeit. Die Musik ist kein Team mit dem Menschen. Das ist verantwortungslos wie so vieles. Wenn ich höre, dass Festplatten verkauft werden und keine Playlists mehr erstellt werden… Dafür ist Musik nicht da. Musik ist dafür da um bewusst zu leben. Ich bin da irgendwie kein Freund von 4-Chords-Songs. Es klingt alles gleich, wie in der Volksmusik. Früher war es in der Volksmusik so, dass alles gleich klingt, oder im Schlager. Jetzt ist es auch da.

Es ist einfach auch sehr austauschbar…
Flo Mega: Ja, genau. Es ist eigentlich der Spiegel der Zeit, der Gesellschaft. Wenn man schon sagt austauschbar.  Das ist ja das große Thema. Die Menschen sind komplett traurig, dass sie nicht mehr gelobt werden. Und jeder macht sich selbstständig. Jeder macht einen Kiosk auf du 80 Prozent verkacken dabei, weil sie nicht dafür gemacht sind. Die Leute vergessen komplett, was ist meine Aufgabe. Sie wollen alle die Sachen machen, die schick sind. Aber wenn man das macht, worin man gut ist, ist doch gut, oder? In Deutschland ist es so, dass alles gespielt wird. Dieser Selbstdarstellung heutzutage oder auch dieser geheuchelte Individualismus der herrscht. Oder auch diese ganzen Promis, die überhaupt nicht auf die Bühne gehören und sich da tummeln, weil sie gute Geschäftsideen haben und sich vermarkten können, aber nichts drauf haben. Ich will jetzt nicht den Kahlschlag machen. Aber ich finde de Bühne gehört immer noch den Leuten, die da auch rauf gehören. Einen höheren Anteil an deutschsprachiger Musik fänd ich nicht schlecht. Weil dann würden vielleicht Inhalte vermittelt werden.

Wobei ich den Eindruck habe, dass das mehr wird auch wenn es um Soul auf deutsch geht…
Flo Mega: Ja, Soul auf deutsch heißt ja, Stefan Gwildis und Jan Delay. Das ist aber Bullshit. Ich hab echt was Neues, was Altes neues.

Ich hab schon gelesen, du magst keine Vergleiche mit Jan Delay…
Flo Mega: Ja, ich mag ihn super gerne als Typ. Ich kenne ihn nicht, aber ich mag ihn wirklich sehr. Aber das ist kein Soul, nicht in der Art, wie ich das mache. Ich bin leidenschaftlich. Das ist etwas anderes, als „nääää“ zu machen. Ich meine man muss wirklich ganz viel geben, mehr als ein bisschen.

Trotzdem bedienst auch du wenn du auf der Bühne bist auch ein paar Klischees. Ob es der Anzug ist oder die Sonnenbrille.
Flo Mega: Deshalb habe ich ja jetzt immer die Dolphins-Jacke an. Das mag Klischee sein, aber ich habe die Sonnenbrille getragen, weil ich den Leuten irgendwann nicht mehr in die Augen schauen konnte. Die Leute können darüber denken, was sie wollen, aber für mich ist das real.

Gehört das für dich auch dazu?
Flo Mega: Ja. Das ist so entstanden, das ist ganz natürlich. Der schwarze Anzug… Ich war immer sehr bunt gekleidet und irgendwann war ich sehr traurig. Da war ich am Zenit meiner Traurigkeit und da habe ich gesagt, jetzt trage ich schwarz. Auch als Statement. Dass das nur ein Schritt zu den Bluesbrothers ist, da habe ich überhaupt nicht dran gedacht. Null. Das ist real bei mir. Weil ich auch gar nicht so viel Musik höre. Ich habe meine Sachen, die ich gerne höre. Fusion, ich höre gerne Fusionrock so 70er oder so‘n Zeug.

Passport?
Flo Mega: Ja, Passport ist geil. Ich höre ganz viel andere Mucke. Aber ganz ehrlich: Diese Sachen passieren bei mir, weil sie passieren. Es hat nichts damit zu tun, ob ich mir was reinziehe, Trophäen sammle und irgendwie so geil werde, dass ich das auch haben will.

Was wird auf deinem nächsten Album anders?
Flo Mega: Das neue Album soll im Frühling 2013 rauskommen. Es wird einfach durch die Routine, die ich jetzt habe. Das Business, mit dem ich mich immer mehr verstehe und auch die Ebene auf der ich rumhänge, die so genannte Ebene. Ich habe eine Routine bekommen und die Verwirrung vom Anfang, das Brett vorm Kopf, das ist langsam weg. Und ich habe aus der Routine heraus eine saloppere Art bekommen. Es fällt mir einfach leichter.

Vielen Dank für das Interview! (Den ersten Teil gibt es hier.)


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Kommentare

Eine Antwort zu „Flo Mega im Interview (Part II)“

  1. […] zwei des Interviews lest ihr hier. Share on […]

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