Ron Diva im Interview

Ron Diva, Foto: Ariana Kanonenberg
Foto: Ariana Kanonenberg

Ostwestfalen ist nicht unbedingt für seinen Reichtum an großartigen Musikern bekannt. Ron Diva lebt in Bielefeld und tritt den Gegenbeweis an. Spätestens seit seinem Auftritt bei „Inas Nacht“ wissen das nicht nur eingefleischte Fans. Sein zweites Album „Im Westen der Stadt“ ist gerade erschienen. Höchste Zeit also, mit Ron über seine neuen Songs, das Musikerdasein in Ostwestfalen, Lampenfieber und Selbstvermarktung zu sprechen.

Dein neues Album heißt „Im Westen der Stadt“. Wie kam dieser Titel zu Stande?
Ron Diva: Das lag einfach nahe. Hier im Westen der Stadt, in der ich lebe, sind die meisten der Geschichten auf der Platte entstanden beziehungsweise haben sich hier abgespielt. Diese Platte ist ja zum großen Teil sehr autobiografisch.

Es fällt auf, dass „Im Westen der Stadt“ um einiges elektrifizierter, rockiger und lauter als dein selbstbetiteltes Debüt klingt. War das eine bewusste Entscheidung?
Ron Diva: Das hat sich so entwickelt und kommt von ganz alleine, wenn du mit der Band spielst, die ich um mich habe. Ich selbst bin ja unter anderem von reichlich britischer Musik geprägt. Vor zehn Jahren waren das für mich ganz besonders The Verve, Paul Weller, Travis und eine Menge mehr. Und da war es logisch, dass ich mit Band im Rücken etwas mehr Druck entwickeln werde. Aber es kann gut sein, dass die nächste Platte auch wieder ganz minimal instrumentiert sein wird. Da will ich mich überhaupt nicht festlegen und freue mich auch sehr darüber. Vor etwa drei Jahren, direkt nach der ersten Platte und nach mehreren Jahren allein auf der Bühne, wollte ich am liebsten nur noch mit Band spielen und habe dann erst ein Jahr später die schöne Intimität der Solo-Abende für mich zurückentdeckt, die mir nun wieder in ihrer Ruhe und Langsamkeit einen riesigen Spaß bereiten. Ich genieße es beispielsweise sehr, dass ich den Zuschauern zwischen den Liedern zum Teil mit reichlich Humor die eine oder andere Geschichte erzähle und das kommt bei den Band-Konzerten wiederum etwas zu kurz.

Ron Diva, Foto: Ariana Kanonenberg
Foto: Ariana Kanonenberg

Bislang hast du ganz klassisch viele Konzerte alleine mit Akustikgitarre bestritten. Jetzt hast du eine Band im Rücken. Deine neuen Songs klingen selbstbewusster und wütender. Hattest du nie Zweifel, ob das bei deinen Fans ankommt?
Ron Diva: Doch, schon, aber eigentlich sollte mir das egal sein. Durch meinen sehr ruhigen Auftritt bei „Inas Nacht“ habe ich in kürzester Zeit eine Unmenge an neuen Fans gewonnen, die als ersten Eindruck natürlich diesen leisen Liedermacher bekamen. Da gehe ich generell davon aus, dass einige diesen nun etwas lauteren Weg nicht mitgehen, aber dann soll es eben so sein. Auf der anderen Seite kann ich mit dieser Platte auch wieder neue Zuhörer gewinnen. Man muss aber auch dazu sagen, dass ich ja nun nicht unbedingt eine andere Musik spiele, als auf der ersten Platte. Die Songs wurden nach wie vor alle auf der Akustikgitarre geschrieben, sind jetzt einfach nur in ein etwas größeres Gewand verpackt. Ein Beispiel von mir selbst als Zuhörer: Ich bin großer Fan von Neil Young oder von Ryan Adams. Beide kann ich mir jeweils mit Rockband ansehen, aber auch solo, akustisch und total ruhig und zerbrechlich. Das ist doch großartig! Oder nimm Richard Ashcroft! Der ist zu seiner letzten Platte mit einer Band getourt, in der die Jungs mit Sicherheit aus einem US-Hip-Hop-Umfeld kamen. Das fand ich live spitze, war auf Platte nicht so mein Fall, aber ich weiß auch, dass Richard irgendwann wieder eine Platte raushaut, die mir vor Freude die Tränen in die Augen treibt. Wenn das die Leute raffen und auch Lust darauf haben, dass nicht immer alles gleich klingt, dann wäre das doch der Optimalfall!

Auf der Bühne wirkst du aber auch mit den neuen Songs eher zurückhaltend und ein wenig unsicher. Kostet es dich große Überwindung, da raus zu gehen?
Ron Diva: Auf die Bühne zu gehen fällt mir mit Band im Rücken leichter, auch wenn sich viele Blicke generell bei mir bündeln, da ich da vorne in der Mitte stehe. Schlimmer ist es bei den Solo-Abenden. Da ist ja auch alles viel ruhiger, da hörst du oft eine Stecknadel fallen. Ich habe das Glück, dass die Leute meistens mucksmäuschenstill sind – und dann zittern mir anfangs oft noch die Hände. Aber eigentlich geht es da auch nur um die ersten zwei bis drei Songs. Wenn ich dann warm gelaufen bin und irgendwann merke, wie die Leute so drauf sind, dann fühle ich mich wirklich sehr wohl auf der Bühne. Ich bin definitiv jemand, der sehr gern auf der Bühne steht.

Viele kennen dich aus der Sendung „Inas Nacht“, wo du 2009 deinen Song „Sonnenschein“ gespielt hast. Hand aufs Herz: Ist der Auftritt für dich im Nachhinein mehr Fluch oder Segen?
Ron Diva: Fluch auf keinen Fall! Wie ich eben schon sagte, habe ich dadurch so viele neue Zuhörer, die ich ohne diesen Auftritt wahrscheinlich in der Zeit nie erreicht hätte, gewonnen. In einem Laden in Norddeutschland habe ich beispielsweise vorher schon zwei bis drei Mal gespielt, immer so vor zehn bis fünfzehn Leuten. Als ich nach dem Auftritt bei Ina dort ankam, war die Bude rappelvoll, alle Sitze belegt, die Leute standen an der Theke, bis hinten hin in den Gängen. Das ist doch spitze! Gedanken mache ich mir nur manchmal beim Booking. Da glaube ich dann schon, dass dieser Auftritt oder dieser Song mir in manchem Indie-Club vielleicht den Eintritt schwer macht. Es gibt zum Beispiel in Münster einen Booker, der für zwei recht kleine Läden zuständig ist, in denen ich so gerne spielen würde. Dort spielen auch viele andere Singer/Songwriter, aber der Typ sagt mir ganz klar: „Du passt nicht in unseren Laden.“ Und ich will das nicht glauben. Verdammt!

Wie sieht das Leben als Musiker im Jahr 2013 aus?
Ron Diva: Das kommt drauf an, auf welchem Level man musiziert, würde ich sagen. In meinem persönlichen 2013 ist es so, dass ich die ersten drei Tage in der Woche in einem Theater arbeite, damit Brot und Miete bezahlt sind. Die zweite Wochenhälfte nutze ich dann, um meine Musik voranzubringen. Das heißt leider nicht nur Texten und Melodien aufschreiben, sondern auch, dass ich mich eigentlich sechs Tage die Woche ums Booking oder um den CD-Vertrieb meiner Website kümmere, was sehr viel Zeit in Anspruch nimmt, die mir dann wiederum beim Musizieren fehlt. Hey, in der Zeit hätte ich manchmal schon ein bis zwei komplette Platten schreiben können! Sich damit zu arrangieren, fällt mir sehr schwer, macht mich manchmal richtig wütend. Das kostet enorm viel Kraft, die mir dann im kreativen Bereich fehlt. Und natürlich kann ich jetzt auch – wie so viele andere – wieder von solchen Dingen wie Urheberrecht und Vergütung meiner künstlerische Arbeit anfangen. Letztens fragte mich jemand, ob er sich mal meine erste Platte von mir leihen kann, er wolle sie sich dann brennen. Da habe ich nur gesagt, dass ich die zweite Hälfte des Satzes jetzt gerade nicht gehört habe. Ich hab keine Ahnung, ob sich da in den Köpfen dieser Menschen irgendwann was verändern wird…

Ron Diva, Foto: Ariana Kanonenberg
Foto: Ariana Kanonenberg

Du arbeitest bislang komplett ohne Verlag oder Label. Ist das eine Entscheidung um deine künstlerische Freiheit zu wahren oder bist du aktuell auf der Suche?
Ron Diva: Direkt auf Labelsuche habe ich mich nie gemacht. Es gab ein paar kleinere Anfragen in den letzten drei Jahren, aber ich war da nie so richtig hinterher, weil ich immer dachte: Das schaffe ich doch bisher noch alles selbst. Mittlerweile ist es so, dass ich mir nun mit der neuen Platte auch etwas mehr zutraue, also glaube, dass da draußen noch ein paar mehr Menschen sind, die sich für meine Lieder interessieren könnten. Und daher sehe ich das nun schon als sinnvoll an, mir Hilfe von außen zu holen. Ich bin da eigentlich auch ganz entspannt und sogar recht optimistisch. Mal sehen, was das neue Jahr so bringt!

Unter Musikern ist die große Flucht nach Berlin sehr verbreitet. Du scheinst dagegen an Ostwestfalen zu hängen. Wieso findest du hier besonders große Inspiration?
Ron Diva: Grundsätzlich kannst du Inspiration ja überall finden, immer dort, wo etwas passiert, dich etwas berührt und du mit offenen Augen und offenem Herz durch die Gegend läufst. Ich glaube, speziell in Berlin würde ich untergehen. Die Mentalität der Einheimischen ist nichts für mich. Diese Berliner Schnauze. Aber andererseits, wie viele Ur-Berliner leben denn überhaupt noch in der Stadt? Vor mehr als zehn Jahren war ich mal für 13 Monate in Hamburg. Damals wollte ich die Zeit als Zivi nutzen, um am Ende dann auch in der Stadt zu bleiben. Dort hat es mich vorher immer hingezogen. Schließlich bin ich dann aber wieder zurückgegangen. Ich muss das scheinbar nicht haben. Ich brauche keine Großstadt, also nicht zum alltäglichen Leben. Nimm den Song „HH“ von der neuen Platte! Der beschreibt genau das! Diese Stadt zieht mich magisch an, aber wenn ich dann dort bin, werde ich aus Gründen, die mir oft rätselhaft sind, total melancholisch und glaube, dass es besser ist, wenn ich wieder gehe. Für ein oder zwei Monate würde ich gern in Hamburg, Leipzig, Dresden oder auch Berlin bleiben, um Songs zu schreiben, mich dort auf eine andere Art berieseln zu lassen. Aber auf Dauer hab ich dann doch die Kleinstadt lieber. Zumindest fühlt es sich im Moment so an. Oh man, die coolen Großstädter lachen mich jetzt wahrscheinlich aus und rufen: „Weichei!“

Was sind für dich als Musiker denn die Vor- und Nachteile vom Leben in einer Nicht-Metropole wie „Bielefeld“?
Ron Diva: Es ist klar, dass in den Metropolen das Aufgebot an Musikern, an Clubs oder eben auch an Plattenfirmen und Agenturen viel größer ist. Das wäre dann, wenn Du so willst, in der Nicht-Metropole der Nachteil. Aber so lange es für mich nicht zwingend notwendig ist, dort vor Ort zu sein, weil man vielleicht noch nicht kurz vor dem Aufstieg in die zweite Musikanten-Bundesliga steht, ist der ganz klare Vorteil der Stadt, in der ich seit fünf Jahren lebe, dass ich mich hier privat einfach wohlfühle, dass es mir genau hier gutgeht, wenn ich vor die Tür gehe und Leute treffe, Freunde und Familie hier in der Nähe habe. Und das ist auch beim Musizieren nicht unwichtig. Du kannst dir aber auch sicher sein, dass wir uns, wenn sich die Dinge günstig fügen und vielleicht etwas größer werden, irgendwann auch in Hamburg im ganz normalen Alltag über den Weg laufen werden. Das werde ich trotz meiner Hassliebe zu dieser schönen Stadt wahrscheinlich doch irgendwann noch hinbekommen, dafür zieht sie zu sehr.

Wie sehen deine Pläne für dieses Jahr aus?
Ron Diva: In allererster Linie will ich Konzerte spielen. Viele Konzerte! Auf der Bühne meine Lieder spielen, darum geht es, das gibt mir so viel. Wenn ich dafür dann dieses Jahr eine gute Booking-Agentur finde, die mir dabei hilft, das wär was! Das ist kein großer Plan, aber wenn er aufgeht, dann wäre ich glücklich.

Vielen Dank für das E-Mail-Interview!


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