Cäthe im Interview

Foto: Thorsten Dirr
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Cäthe und ihre Musik in wenigen Worten zu beschreiben fällt schwer. Denn die Wahl-Hamburgerin ist eben nicht „nur ein kleiner Punk“, auch wenn sie das so singt. Ihr Album „Ich muss gar nichts“ ist eine Mischung aus Pop, Rock, Chanson und Elektro und klingt trotzdem stimmig. Lest, was Cäthe über ihre erste große Tour, das neue Album, ihr Songwriting und mutige Menschen im Interview mit Watte pusten verrät:

Du hast gerade deine Tour als Support von Pohlmann beendet. Bist du froh wieder in Hamburg zu sein, oder hättest du lieber weitergetourt?
Cäthe: Ich habe ein schönes Zuhause, deshalb bin ich gern Zuhause. Auf Tour habe ich natürlich auch Blut geleckt. Unterwegs zu sein, bedeutet viele neue Eindrücke zu bekommen. Es gibt auf Tour wenig Alltag, immer passiert etwas. Das ist anstrengend, allerdings auch spannend.

Dein erstes Album erscheint dieses Jahr. Du machst aber schon seit deiner Jugend Musik. Wieso hat es so lange gedauert, bis erstmals Musik von dir auf Platte erscheint?
Cäthe: Es hat sehr lange gedauert, gefühlte 28 Jahre, bis ich meinen Experimentiertrieb ein wenig ausgeschöpft habe und mich dadurch besser kennenlernen konnte. Mir ist es sehr wichtig, etwas weiterzugeben, was ich nicht nur glaube zu sein, sondern was ich aus Erfahrung weiß, dass ich es bin. Wenn man sich entschließt, nicht nur Musik für sich alleine im Kämmerchen zu machen, sollte klar sein, dass man sich auch mit seinem Publikum auseinander setzen muss. Das habe ich mir lange nicht zugetraut, weil ich nicht so recht wusste, in welche musikalische Richtung es für mich geht und was ich auf der Bühne preisgeben möchte und kann. Es hat sich einfach vieles gebündelt und es fühlt sich rund und gesund an, nun auf die Bühne zu gehen und meine Musik auf die Menschen loszulassen.

Wie hat sich das angefühlt, als du wusstest, jetzt habe ich das richtige Label gefunden und kann meine Songs endlich einspielen und veröffentlichen?
Cäthe: Die Lieder waren bereits geschrieben und eingespielt, bevor ich zu DEAG ging. Dass mir auch nicht reingeredet wird, wie ich was aufzunehmen habe, war schon eine ganz entscheidende Bedingung. Ich habe Glück und arbeite eng mit meiner Plattenfirma zusammen. Unstimmigkeiten sind natürlich trotzdem vorhanden. Das ist aber auch ganz gut um sich kennenzulernen. So wird von mir verlangt, konzentriert zu bleiben und meine Meinung zu sagen.

Foto: Thorsten Dirr
Foto: Thorsten Dirr

Dein Album heißt „Ich muss gar nichts“. An wen richtet sich diese „trotzige Kampfansage“?
Cäthe: Eigentlich an mich selbst. Ich habe hin und wieder das Gefühl, etwas tun zu müssen, etwas sagen zu müssen, etwas fühlen zu müssen, etwas sein zu müssen, ja, irgendwelchen Erwartungen oder Projektionsflächen gerecht werden zu müssen, die eigentlich völlig überbewertet sind und alle Kraft und Zeit rauben und das Wertvolle und Wesentliche verschleiern. Jetzt mit Ende 20 hat sich das beruhigt, weil ich langsam merke, dass es nichts bringt, sich etwas vorzumachen. Es ist vielleicht auch ein Manko oder Defizit meiner Generation, etwas sein zu wollen, das glänzt und makellos ist und gleichzeitig als Mensch gebraucht zu werden, der verdammt noch Mal mit seinem treuen verwundbaren Herzen sehen möchte. „Ich muss gar nichts“ bezieht sich auf vieles, aber vor allem darauf, ein erfülltes Leben zu leben, glücklich mit den Umständen zu sein oder sie zu verändern. Denn das ist unsere persönliche Aufgabe. Das erledigt keiner für uns.

Deine Stimme erinnert teilweise an Janis Joplin. Über sie hat damals gesagt: „Viele Sänger tragen ihr Herz auf der Zunge, Janis Joplin reißt es sich beim Singen aus der Brust“. Bei dir ist das ähnlich, oder?
Cäthe: Mit 12 Jahren habe ich Janis Joplin zum ersten Mal gehört. Das war ein Schlag in die Fresse, ich war völlig aufgelöst. Mein Englisch ist ja heute noch grottenschlecht, aber das hat nichts daran geändert, dass ich genau wusste, von was sie singt und vor allem: weshalb. Es passiert viel mit mir wenn ich singe, es ist wie ein Ganzwerden. Ich löse mich auf, gleichzeitig nehme ich mich und den Moment viel bewusster wahr. Die Herausforderung alles geben zu wollen, das ist meine große Leidenschaft, das macht mich sehr lebendig. Beim Singen öffnen sich Türen, die mir sonst verschlossen bleiben würden.

Deine Songtexte sind teilweise sehr persönlich. Hast du keine Scheu davor, eigene Erlebnisse und Erfahrungen mit der Öffentlichkeit zu teilen?
Cäthe: Eigentlich bin ich scheu. Privat bin ich eher erst der Beobachter, bevor ich mich irgendwo reinschmeiße. Ich bin sensibel und gutgläubig, deshalb lasse ich nicht viele Menschen nah an mich heran. Aber ich kann nicht über etwas singen, das ich nicht selbst erfahren habe. Das ist für mich dann auch kein Singen. Das ist dann Show. Plastik. Leblos. Die Seele lässt sich nicht verarschen. Meine zumindest nicht. Es ist ganz leer in mir, wenn ich nicht aus dem Herzen singe. Also hab ich nur die Wahl, meine eigenen Lieder zu schreiben oder eben nicht zu singen.

Foto: Thorsten Dirr
Foto: Thorsten Dirr

Manchmal hat man beim Hören deiner Songs den Eindruck, dass du dir mit deiner Musik selbst Mut machen willst. Was bedeutet das Songwriting für dich?
Cäthe: Ich mache mir Mut, in mich zu blicken und es verstehen zu wollen. Das ist richtig. Das ist mir erst letztens klar geworden. Es ist ja auch nicht alles „Friede, Freude, Eierkuchen“, wenn man Mal ein wenig tiefer gräbt. Aber auch das will ich sehen. Ich will der Angst ins Auge blicken und ihr sagen: Gegen meinen Mut bist du eine kleine arme Wurst. Mutig sein empfinde ich immer wie eine Übung. Klar, wenn man mit Komplimenten zu geschissen wird und einem Honig ums Maul geschmiert wird, ist man automatisch mutiger. Das ist möglicherweise der falsche Beweggrund um seine Wege zu gehen und abends mit Würde nach Hause zu kommen.

„Spirituell“ rockt elektrisch, während der Rest des Albums eher auf erdige Sounds setzt. Wie entsteht die musikalische Richtung für deine Songs? Bereits in deinem Kopf beim ersten Skizzieren oder erst im Studio?
Cäthe: Die Texte kommen nicht fertig durch mein Hirn geschossen und wollen gesungen werden. Es dauert lange, bis ich mit den Worten so umgehe, wie ich es dann auf der Bühne tue. Die deutsche Sprache ist unfassbar vielfältig, hat man sie sich zum Mantra gemacht. Bis dahin durchlaufe ich mehrere Prozesse und überlege, ob es nicht noch bessere Worte gibt. Bei der Musik ist es ähnlich. Das ist nicht so, dass ich auf dem Balkon sitze und beim nächsten Sonnenstrahl die Klampfe auspacke. Ich sitze an meinem Rechner und kämpfe mich durch. Entscheidend ist allerdings der Rhythmus. Er muss mich antreiben, die richtigen Klänge für meine Emotionen zu finden. Man muss sich das so vorstellen: Die Musik hat ihre Energie, meine Stimme hat wiederum auch ihre Energie. Und jetzt wollen wir auch noch diese Geschichte erzählen. Wir haben also drei Kanäle, die ineinander fließen sollen. Sobald einer es nicht tut, steht das Haus auf wackligen Beinen. Das spürt man aber, wenn man sich lange damit beschäftigt. Ich bin doch immer wieder überrascht, wie neu sich alles zusammenfügt. Wenn der Spieltrieb fehlt, passiert auch nichts weltbewegendes und die Emotionen schlafen ein. Es ist schlecht, um kreativ zu sein. Ich spiele gerne und brauche lange, bis ich etwas gut finde. Das ist natürlich anstrengend, aber auch jeden Meter wert, bis ich ins Ziel treffe.

Was kommt nach dem Erscheinen des Albums?
Cäthe: Auf alle fälle nicht Däumchen drehen. Ich habe viel vor…


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Kommentare

Eine Antwort zu „Cäthe im Interview“

  1. […] Mal gehört. Das war ein Schlag in die Fresse, ich war völlig aufgelöst”, hat Cäthe im Interview verraten. Dieser Einfluss ist auf “Ich muss gar nichts” deutlich zu erkennen. Denn […]

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